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Modell und Wirklichkeit
Stadtansichten
und Feuerbilder sind Prautschs bevorzugtes Motiv der letzten
Jahre. Seine Ölmalerei ist im Duktus skriptural bis gestisch.
Sein Farbauftrag gerät zum gebändigten Experiment:
Geschleudertes opaker Konsistenz, verwischte Schlieren, Überspachteltes
und Pinsel zerfurchte Borke geben zuweilen die fließend-transparenten
Quastwürfe des malerischen Beginnens frei oder enden
auf hell glänzend modulierten Spachtelabschlüssen.
Die Farbigkeit der Bilder ist chromatisch gebrochen, schlägt
aber durchdringende, manchmal bis in Komplementäre spielende
Farbakkorde an, vorherrschend in warm-kalt und hell-dunkel.
Ein Konglomerat abstrakter Farbwürfe in flächiger
Ausdehnung oder unruhiger Agglomeration kurzer Pinselhiebe
formt Straßen, Wasserwege, Grünanlagen, Hausdächer-
und Fassaden bis zur Weite des Horizonts. Licht und Schatten
tragen wesentlich zur Reliefbildung dieser Metropolen-Topografien
aus Vogelperspektive bei.
Der Maler Prautsch zeigt uns Perspektiven, die niemals klassisch
plein air mit Feldstaffelei entstanden sein könnten.
Nicht Bildquelle, sondern besser Vorwand, diese sich selbst
auslotende Malerei zu betreiben, sind im Internet abgelegte
Satellitenfotos. Ebenso nutzt Prautsch den Film als digitales
Skizzenbuch für die Bilder der Feuerserie, da schlecht
vorstellbar scheint, dass der Maler unbehelligt von Einsatzkommandos
in unmittelbarer Nähe eines Großbrandherdes, inmitten
entzündlich schimmernder Lachen, in sengender Hitze seelenruhig
und inspiriert eine Feldstaffelei installiert. Feuer, eine
äußert flüchtige, fast immaterielle, luzide
Erscheinung mit Hilfe opaker Ölmalerei darstellen zu
wollen, ist in technischer Hinsicht schon ein heikles Unterfangen.
Sein Atelier, ein klassischer white cube, nur von Oberlicht
erhellt, verhindert den Blick auf Münsters Hafenambiente.
Computer archivierte Satellitenbilder und Filme, schon an
sich Modelle von Wirklichkeit, dienen als einzige Quelle,
denen er das Eindringen in das Atelier erlaubt.
Bewusst vom Künstler gefiltertes Material forciert die
Konzentration auf die pure Malerei und vernachlässigt
rein mimetische Absichten. Prautsch wählt Motive, die
sich durch Perspektive oder ihre Materialität leichter
mit digitaler Hilfe erfassen lassen.
Diese gefilterten Konstrukte sind wiederum Modelle und dienen
der Reflektion des Mediums Malerei und seiner Grenzen. Tafelmalerei
ist als illusionistische Flächenkunst sowohl zur Simulation
von Wirklichkeit als auch formal zur Erprobung verschiedenster
malerischer "Ansätze", sprich Modelle fähig.
Das Medium "Malerei" ist für Prautsch eigentlicher
Modellraum zur Konstruktion von Wirklichkeit und Ort realer
malerischer Aktion. Kurz gesagt, Malerei ist ihm Modell und
Wirklichkeit zugleich.
Andreas
Moersener
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Spurensuche
- ein Ausstellungsprojekt
im Minearalogischen Museum Münster
Jeder
Stein eine Versteinerung: Gestein ist gleichsam sedimentierte
und materialisierte Zeit; in den mineralischen Schichtungen
schreibt die Erde ihre
eigene, im Wortsinne vielschichtige Natur- und Ergeschichte.
In diesem "Buch derNatur" zu lesen, faziniert
nicht nur die Wissenschaftler, sondern
ebenso Wort- und Bildkünstler. Novalis etwa
vermutete allenthalben in der Natur, auch "in Kristallen
und in Steinbildungen, (...) im Innern und Äußeren
der Gebirge", Beispiele einer "großen
Chiffernschrift" der Schöpfung, und es gelte
nun, "den Schlüssel dieser Wunderschrift, die
Sprachlehre derselben" aufzuspüren ("Die
Lehrlinge zu Sais", 1798).
Und wer hat nicht in seiner Kindheit "Bunte Steine"
(Adalbert Stifter, 1852) gesammelt, ihrer merkwürdigen
Formen und Zeichnungen wegen? "Besonders hatte die
Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll
glänzte und leuchtete und äugelte, daß
man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das
wohl käme."
Wenn Thomas Prautsch in Schaukästen des Mineralogischen
Museums zweihundertfünfzig seiner Malstücke
in unmittelbarer Nähe zu den Gesteinsarten präsentiert,
zeigt er tatsächlich "Wissenschaft und Kunst
im Dialog", wie die Ausstellung verspricht. Ein Zwiegespräch
im besten Sinne ist die Prautsche Inszenierung insofern,
als beide Gesprächspartner ihre eigene Stimme behalten,
auch weiterhin ihre eigene Sprache sprechen. Prautsch
ahmt nicht nach; vielmehr malt er wie er immer schon malte,
nur spricht er hier gewissermaßen in gleicher Lautstärke
wie der Partner, mit verhaltener, leiser Stimme, was sich
im kleinen Format ausdrückt, ähnlich dem der
Gesteinsproben. Und wie diese zugleich ein Ganzes und
Teil eines größeren Ganzen zu sein vermögen,
eignet auch den Prautschen "Farbstücken"
sowohl ein Fertiges, Ausformuliertes als auch Fragmentarisches
und Skizzenhaftes,- sie sind in und mit einem einzigen
Zug des Pinsels oder Rakels auf dem weißen, papierenen
"Objektträger" entstanden, ohne nachträgliche
Eingriffe. Die kleinen Bilder in den Erdtönen Braun,
Ocker, Schwarz, aber auch in Gesteinsfarben, etwa im Blau-Violett
des Amethyst, zeigen parallellaufende Malspuren, ähnlich
den Farbschichten und -schichtungen, die bereits die Großformate
des Malers gliedern. In den Miniaturen sind die Analogiebildungen,
im Hinblick auf das (mögliche) Motiv der Mineralien,
gar unmittelbarer noch und letztlich überraschender,
denn obwohl und weil es nicht um Nachbildung eines Vor-Bildlichen
geht, sind die Entsprechungen um so frappanter.
Was in Erdzeitaltern sich den Gesteinen einschrieb, bringt
Thomas Prautsch im Handumdrehen eines kurzen Malprozesses
aufs Papier, zum Verwechseln ähnlich und doch ganz
anders.So gelingt ein Brückenschlag über die
Zeiten, eine Harmonie "parallel zur Natur",
wie Cézanne sie als Zeil der Künste sah; das
Natürliche ist im Künstlich-Künstlerischen
wohl aufgehoben. Und Prautch löst darüber hinaus
auch im Stofflichen ein, was Kleist an "Empfindungen
vor Friedrichs Seelandschaft" (1810) äußerte:
"Ja, wenn man diese Landschaft mit ihrer eignen Kreide
und ihrem eigenen Wasser malte (...)"
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Timm Ulrichs
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Bausteine für Licht und Schatten
Thomas
Prautsch malt, als wimmle unser Jahrhundert nicht von letzten
Bildern, als wäre die Malerei nie ins Krisengerede geraten
und die Wirklichkeit nicht längst zu einem "zerbrochenen
Spiegel" (Paul Virilio) zersplittert. Es ist der seltene
Fall eines jungen Künstlers, der die Malkultur aus dem
Ärmel zu schütteln scheint. Jedes seiner Bilder
ist auch ein Bild über die Malerei und eine Untersuchung
der malerischen Mittel durch sich selbst. Dennoch stellt Prautsch
sein Metier nicht in Frage. Vom "Immanenzkollaps",
den ein Kritiker kürzlich der analytischen Malerei bescheinigte,
ist er weit entfernt.
Er ist ein peintre pur, aber kein Purist. Malen ist für
ihn kein Akt, der ständigen Reduktion, bis das Bild auf
sein tautologisches Gerippe - Keilrahmen, Leinwand, Farbe,
Pinselzug - zurückgeschrumpft ist. Diese Bilder bestimmen
sich nicht durch ein Grundkonzept, sondern durch Reichtum
und Sensualität.Gewiß entzieht Prautch seinen Bildern
die bunte Vielfalt der Lokal- und Primärfarben, doch
er gibt ihnen mit einem Equilibrium von Nuancen und einer
großen Bandbreite zwischen Hell und Dunkel ihren sinnlichen
Glanz zurück.
Was Prautsch aufgreift, wird schiere Malerei. Da bleibt kein
deskriptives Relikt. Anfang der 90er Jahre sind seine Bilder
wie in die Farbpaste geschrieben, gespachtelt, gemalt. Sie
werfen ein schwerflüssiges und doch temperamentvolles
Relief auf, das die Farbe körperlich und beweglich macht.
Sie verdicken die Farbe, bis sie krustig wird ohne daß
ihr Atem stockt. Seit 1992 liegt über massiveren Schichten
eine luzide écriture voll Esprit. Halbtöne zwischen
Blau und Grau hüllen in Lichtschleier, Tupfer setzen
sprühende Lichter, Oberflächen gehen in einem abstrakten
Duktus auf und erreichen doch die Illusion von Regenfeuchte
und Mauerstein. Schlieren nehmen ihren freien Lauf und erscheinen
doch als funkelnder Abglanz von Sonne und Schattenschlag.
Aber es genügt nicht, vor allem die perfekte Bildhaut
aus Schichten,Schleiern und Nuancen zu sehen. die Bilder sind,
bei aller prozessualen Offenheit, nirgends informel aufgelöst,
nirgends ein brodelndes Farblabor. Gerade weil Prautsch sie
aus scripturalen Gesten entwickelt, sucht er, als Ausgleich,
einen festeren Halt. Aus der Souveränität des handschriftlichen
und dem autonomen Wesen des Flecks tritt eine klar gefügte
Ordnung hervor. Jeder Pinselstrich ist malerischer Vollzug
und baumeisterliche Stabilisierung in eins. Malgebärde
und Formkonstruktion gehen Hand in Hand. Deshalb sind die
Architekturmotive, die Prautsch meist zugrunde legt, keineswegs
nebensächlich.
1991: Kuppeln, Türme, Fassaden, ganz frei aus dem Farbbrei
modelliert, und doch von einer innerlichen Tektonik, die sogar
kleinen und kleinsten Abmessungen eine federnde Monumentalität
verleiht. Gewölbte Bögen und vertikale Pfeiler verstreben
und verspannen das Bildformat.
Seit 1992: Perspektivisch zulaufende Steintreppen - sie vereinen
Bewegung, differenzierte Oberfläche, den Wiederschein
von Atmosphäre und eine deutliche Struktur. Jetzt entfaltet
sich, über das ^kräftige Impasto hinaus, ein malerisches
Spektrum vom rechtwinkligen Mauerbau mit dem Spachtel über
luftige Transparenzen bis zum Lichtgeflirre goldgelber Spritzer
und Wischer. Die Stufen unterlegen den Springtanz der Reflexe
mit dem sicheren Tritt einer Marschkolonne - und sind doch
aus dem gleichen schimmernden, entmaterialisierten Gespinst.
Ein malerisches Bravourstück, wie fest und wie lose diese
Textur gleichzeitig gewebt ist!
Ich will Thomas Prautsch keiner kunsthistorischen, allzu dünnen
Gipfelluft aussetzten, aber entfernt erinnern die "Treppen"
doch an Monets berühmte Serie der Katherdrale von Rouen.
In der Verschmelzung von kubischem Grüst und atmosphärischem
Zauber behaupten sie sogar eine eigene Polarität. Die
kleineren Arbeiten, Öl auf Papier, nehmen die Kantenschärfe
und meßbare Tiefe wieder zurück und mildern die
Struktur ins aquarellhafte Durchsichtige, Schwebende, ohne
daß der horizontale Rhythmus ganz verloren geht. Sie
wecken Spannung auf den nächsten Schritt.
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Manfred Schneckenburger
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Preisträger des Caspar-von-Zumbusch-Preises
Thomas
Prautsch, 1965 in Frankfurt am Main geboren, nahm 1988 das
Studium der Malerei an der Kunstakademie in Müsnter bei
L. von Arseniew und Timm Ulrichs auf, erhielt 1991 seine Ernennung
zum Meisterschüler und schloß 1999 das Studium
mit Aushändigung des Akademiebriefes ab.
Thomas Prautsch entwickelt während des Studiums eine
eigene Bildsprache, die er frühzeitig der Öffentlichkeit
präsentiert. So sind seit dem Jahre 1993 seine Werke
kontinuierlich auf renommierten Ausstellungen vertreten. In
all diesen Werken ist formal und inhaltlich eine malerische
Dichte deutlich spürbar, begonnen mit den Tusche- und
Kohlezeichnungen aus den Anfängen seines Studiums, die
sein Interesse an zeichnerisch-linearen Strukturen mit starken
Hell/Dunkelkontrasten dokumentieren, über seinen Aufenthalt
in Berlin, der künstlerisch verarbeitet zur Verdichtung
des Farbmaterials im Malprozeß wiederum zu Strukturen
führt, die Licht und Schatten beschreiben, dann zum Treppenmotiv,
von dem er selbst sagt, dass es mehrere Jahre das Gerüst
seiner Malerei bildete.
Thomas Prautsch malt, was er real sieht in Verbindung mit
seinem inneren Eindruck. Er beschreitet mit seiner Malerei
einen Weg zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.
Das wird sichtbar in dem meist einfachen Kompositionen, Waagerechten
und Diagonalen - es sind die Leitlinien seiner Malerei - die
den Malspuren gegenüber stehen und das Bild zu einem
rhythmischen Geflecht verdichten.
Sowie auch schon beim Treppenmotiv bleibt er dem Thema der
Steinstrukturen in seinen weiteren Arbeiten treu. Sein Aufenthalt
in Irland im Jahre 1997 konfrontiert ihn mit der Landschaft,
etwas völlig neues für ihn, der sich bisher mit
der Stadtlandschaft und sich daraus ergebenden Einzelstrukturen
befasst hatte. Er entdeckt eine karge Landschaft aus übereinander
geschichteten Kalksteinplatten, eine scheinbar ungeordnete
Struktur, die keinen Gesetzten und Regeln zu folgen scheint,
und doch fasziniert ihn die Oberflächenstruktur, das
endlose Durcheinander von Furchen und Rinnen mit metertiefen
Brüchen und harten Verschattungen, dass er die Verarbeitung
dieses Themas in seinen letzten Arbeiten darstellt, ein fließender
Übergang vom starren Treppenmotiv zur amorphen natürlichen
Gesetzmäßigkeit
H.G. Eisenhut
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